Paul Schmitz - All-Islam - Weltmacht von morgen (1937).pdf

(22631 KB) Pobierz
PAUL SCHMITZ
All-Islam!
Weltmacht von morgen?
LEIPZIG
WILHELM GOLDMANN VERLAG
Copyright I 9 3 7
h
Y
Teilab-
Verlages
W i l h e l m G o l d m a n n V e r l a g in L e i p z i g . A u c h j e d e r
druck bedarf
der b e s o n d e r é n G e n e h m i g u n g des
VNr.
4044
M a d e in
Schutzumschlag-Entwurf
Germany
v o n K ü r t G u n d e r m a n n in L e i p z i g
D r u c k : H a l l b e r g & B ü c h t i n g [ I n h . : L. A . K l e p z i g ] i n L e i p z i g
Die Kartenskizzen
z e i c h n e t e R u d o l f H e i n i s c h in Berlin
stellten
zur
Verfügung:
Von den wiedergegeb énen Photos
A s s o c i a t e d P r e s s 1, A t l a n t i c 4, H a n s H e l f r i t z 1, M i s r - K a i r o 5
S c h e r l B i l d e r d i e n s t 2, S c h m i t z - K a i r ó 17
ERSTES KAPITEL
Erschlossener Raum
In keinem anderen GroBraum der Erde habén sich seit Weltkriegs-
ende so folgenschwere Wandlungen, Umschichtungen und Ver-
ánderungen vollzogen wie im orientalisch-islamischen Schick-
salsgebiet, das den Norden Afrikas und die Lánderbrücke vom
Mittelmeer nach Indien und zum Fernen Osten umfaBt. Hier
ging das letzte islamische GroBreich unter, und junge National-
staaten erstanden. In der Begegnung mit Kultur und Zivilisa-
tion des Abendlandes wandelten sich hier, im Morgenland, die
Formen des sozialen Aufbaus und die Strukturen von Wirtschaft
und Staat. Und auf dem Trümmerfeld eines politisch völlig zu-
sammengebrochenen islamischen Orients, auf jenem klassischen
Spannungsfeld weltpolitischer Ansprüche, auf dem sich die Kráfte
der imperialen GroBmáchte seit Jahrzehnten maBen und das bei
Weltkriegsende endgültig reif schien, in das kolóniáié oder halb-
koloniale und strategische System der Siegermáchte eingegliedert
zu werden, entstanden aus eigener Kraft, Willensbereitschaft
und SchicksalsbewuBtsein neue Staatsgebilde. Diese suchten ihre
Grenzen untereinander und ihre Existenz gegen die Expansions-
tendenzen der imperialistischen Weltmáchte zu sichern durch inne-
ren ZusammenschluB und durch geschicktes Ausspielen der be-
gehrlichen Kolonialmáchte gegeneinander.
Aus dem Zusammenbruch, der sich wáhrend des Weltkriegs hier
vollzog, löste sich ein seit Jahrzehnten vorbereitetes Erwachen zu
geschichtlichem BewuBtsein und zu politischem Handeln und
Kámpfen. So wurden in überraschend kurzer Frist die Völker des
orientalisch-islamischen Schicksalsgebietes, ''seit Jahrzehnten nur
Objekt im weltpolitischen Spiel, wieder aktive, selbstándig han-
delnde Partner in der Aréna der Entscheidungen, um eine grund-
sátzlich neue Epoche in der Jahrhunderte wáhrenden Auseinander-
setzung zwischen Abendland und Morgenland einzuleiten. Eine
Epoche, in der die islamischen Völker um ihre weltpolitische
Gleichberechtigung rangén und ringen und um die Stellung kámp-
fen, die ihrem Lebensraum auf Grund seiner Bedeutung als Markt,
als Rohstoffbasis, vor allém aber als Schlüsselpunkt im System des
Weltverkehrs zukommt.
Diese Wandlun gen, die sich im islamischen Raum seit dem Welt-
6
All-Islam
krieg vollzogen und noch vollziehen, wurden schon jahrzehntelang
vor dem Weltkrieg vorbereitet und eingeleitet. Und die abend-
lándischen Máchte, voran England, öfíheten diesen inneren Vor-
kriegswandlungen den Raum zu áuBerer politischer und wirtschaft-
licher Gestaltung. lm Verfolg eigener imperialistischer Planung
zerschlugen sie die altén sozialen und staatlichen Formen, die zwar
brüchig geworden waren im Verlaufe der Jahrhunderte, aber den
jungen Kráften doch immer noch den Durchbruch zu Entfaltung
und Schicksalsgestaltung verweigerten. Im Weltkrieg sprengten
abendlándische Waffen die Fesseln, die hier den nach Neuem drán-
genden Kráften durch Tradition und Bindung an überlieferte Vor-
stellungen angeschmiedet waren.
Diese Wandlungen im islamisch-orientalischen Schicksalsgebiet,
durch die seine Völker wieder aktive Partner im Verkehrs-Wirt-
schaftssystem der Erde wurden und sich wieder in den Geistes-
zusammenhang und ins Spiel weltpolitischer Auseinandersetzungen
eingegliedert sahen — diese Wandlungen sind nur zu verstehen
aus der veránderten Bedeutung dieses Lebensgebietes als Raum
neben anderen GroBráumen der Erde.
Die Bedeutung der islamischen Welt wurde im Verlauf der Jahr-
hunderte bestimmt durch das MaB, in dem sie einbezogen war ins
Verkehrssystem der Altén Welt. Schon im vorislamischen Orient war
— jenseits des bunten, waffenklirrenden Wechsels innerer Auseinan-
dersetzungen — die Tatsache entscheidend, daB die groBen Welt-
verkehrsstraBen vom Abendland zum Fernen Osten über die vorder-
asiatisch-nordafrikanische Lánderbrücke führten. Sie diktierte die
Rolle, die dieser Raum im damaligen Rhythmus von Welthan-
del und Weltgeschehen spielte. Der vordere Orient war verbin-
dend und lebenswichtig eingeschaltet in den Kreislauf des Aus-
tauschs von Waren, Wissen und Erfahrung. Das zivilisatorische
Niveau von Morgen- und Abendland lag auf gleicher Höhe.
Die groBen VerkehrsstraBen der Welt liefen von Ost- und Süd-
ostasien zu den Gestaden des östlichen Mittelmeers, wo die groBen
Umschlagplátze des Welthandels lagen. Von hier führten sie weiter
über den Mittelmeerraum zum südlichen Európa.
Der südlichste der groBen Verkehrswege hatte Ceylon, den Sam-
melplatz für Waren im Fernen Osten, zum Ausgangspunkt. Er
kreuzte den Indischen Ozean und berührte Aden. Hier gabelte er
Erschlossener Raum
7
sich in eine KarawanenstraBe durch die westüchen Küstenstriche
der arabischen Halbinsel, die in Syrien ihren AnschluB an den
Mittelmeerraum fand, und in einen Seeweg durch das Rote Meer
zum Golf von Suez. Von hier wurde nach Durchquerung Ágyp-
tens in Alexandria der Weiterweg zum Abendland gefunden. Unter-
ágypten war auf dieser Route als Umschlagplatz eingeschaltet.
Die mittlere der groBen Ost—West-StraBen führte von Ceylon
lángs der indischen Küste zum Persischen Golf und durch Meso-
potamien weiter nach Mittel- und Nordsyrien und Anatolien.
Die dritte Weltverkehrsroute wurde ausschlieBlich über Land
geführt. Sie verband China über Mittelasien hinweg mit dem nörd-
Hchen Irán und fand von hier den Weg ans Schwarze Meer oder
an das mesopotamisch-syrische Wegenetz zu denMittelmeerlándern.
Die bevorzugteste dieser Verbindungen war der reine Landweg.
Der Karawanenverkehr auf dieser Route wurde zur bedeutendsten
Macht- und Lebensquelle der Durchzugslánder, derén Bewohner
Abgaben erhoben, Lasttiere vermieteten sowie Wachen und Knechte
stellten. Die Bedeutung des islamischen Raums im System des da-
maligen Welthandels wird sichtbar durch die Tatsache, daB seine
Beherrscher nach Béliében die Preise regulieren konnten durch
Erhöhung der Abgaben und Zölle und den Verkehr völlig unter-
banden, wenn ihnen das aus irgendwelchen Grundén erwünscht
und nützlich schien. Daher hob schon früh das Ringen um Be-
sitz und Herrschaft dieses Raumes an, wobei sich abendlándische
und morgenlándische Elemente zum erstenmal maBen. Dar fand
in den Kámpfen um die verkehrspolitischen Schlüsselpunkte in
Mesopotamien und Armenien Ausdruck. Hier wurde in den Aus-
einandersetzungen zwischen hellenistisch-römischen" und spáter
byzantinischen Kráften mit den zoroastrisch-mongolischen Ele-
menten zum erstenmal der groBe Gegensatz zwischen Abendland
und Morgenland lebendig, der Jahrhunderte hindurch die Schick-
sale der abendlándischen Welt bestimmen sollte.
Die Rolle des vorderen Orients war eindeutig, seine Bedeutung
feststehend. Er war Vermittler zwischen dem Fémen Osten und
Európa, Hándler, der kaufte und verkaufte und weder eigene Pro-
duktion noch Verarbeitung nötig hatte. An den orientalischen
Mittelmeerküsten lagen Jahrhunderte hindurch die Verteiler-
zentren des Welthandels.
Zgłoś jeśli naruszono regulamin