Albert Hofmann - Naturwissenschaft und mystische Welterfahrung.pdf

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Albert Hofmann
Naturwissenschaft
&
mystische Welterfahrung
der grüne zweig 150
Naturwissenschaft und mystische Welterfahrung von Albert Hofmann Der Grüne Zweig 150
Der vorliegende Text ist das Manuskript der »Volkspredigt«,
die der damals 84jährige Chemiker Dr. Albert Hofmann, der
Entdecker des LSD, in der Leonhardskirche in Basel gehalten hat.
Satz: Petra Petzold Umschlaggestaltung: Petra Petzold & Werner Pieper
Biografie von Claudia Müller-Ebeling,
A.H. Foundation Info von Christian Ratsch
Umschlagzeichnung von Kathleen Harrison McKenna
Druck: Maro, Augsburg Dank an Roger Liggenstorfer und Sharon Levinson
Alle Rechte beim Autor
Verlegt als Joint-Venture
von Werner Pieper's Medienexperimenten,
Alte Schmiede, D-6941 Löhrbach
und dem
Nachtschatten Verlag, Ritterquai 2-4 CH-4502 Solothurn
ISBN 3-925817-50-6
NATURWISSENSCHAFT & MYSTISCHE WELTERFAHRUNG
ERGÄNZUNG,
NICHT AUSSCHLUSS
Was ist wahr, das Bild der Wirklichkeit, das uns die Naturwissenschaften erschließen, oder jenes, das der
Mystiker in seiner Schau erlebt? So kann man nur fragen, wenn man meint - und das ist wohl die
allgemein vorherrschende Meinung - Naturwissenschaft und mystische Welterfahrung würden sich
erkenntnismäßig ausschließen. Das ist aber nicht der Fall. Im Gegenteil, Naturwissenschaft und
mystische Welterfahrung ergänzen sich. Das aufzuzeigen, ist der Sinn meiner Ausführungen.
Gegenstand der naturwissenschaftlichen Forschung ist das materielle Universum, von dem wir selbst mit
unserer Körperlichkeit ein Teil sind. Die naturwissenschaftliche Forschung beschränkt sich auf die
Untersuchung und Beschreibung der objektiv mit unseren Sinnen feststellbaren Außenwelt und die
Ermittlung der in ihr herrschenden Gesetze.
Voraussetzung für eine solche objektive Betrachtung der Natur ist eine bewußtseinsmäßige Aufspaltung
des Welterlebens in Subjekt und Objekt. Ein solches dualistisches Welterleben hat sich zuerst in Europa
herausgebildet. Es war schon wirksam im jüdisch-christlichen Weltbild: Ein über der Schöpfung und der
Menschheit thronender Gott, sein »Macht euch die Erde Untertan«. Die Naturwissenschaften sind ein
Produkt des europäischen Geistes.
In den Anfängen der neuzeitlichen Naturforschung, im 17. Jahrhundert, hatte diese noch weitgehend
religiöse Bezüge. Der Forscher trat der Natur als einer vom Geist Gottes belebten Schöpfung gegenüber.
Kepler erkannte in den Gesetzen von den Planetenbahnen die Harmonie der von Gott geschaffenen Welt,
und in keinem der alten botanischen Werke vergaß der Autor, den Schöpfer für die Wunder der
Pflanzenwelt zu preisen.
Eine folgenschwere Wendung im Charakter der Naturforschung trat ein, als nach den großen
umwälzenden Entdeckungen von Galilei und Newton die Forschung sich immer einseitiger den
quantitativen, meßbaren Aspekten der Natur zuwandte. Die qualitative, ganzheitliche Betrachtungsweise,
für die sich Goethe noch am Beispiel seiner Farbenlehre einsetzte, geriet immer mehr in den Hintergrund.
Die quantitativen Methoden der Naturforschung, die sich nicht mehr der direkten Beobachtung bedienten,
verlangten für ihre Messungen zunehmend kompliziertere und raffiniertere Apparaturen. Die sich mit dem
meßbaren Aspekt der Natur befassenden Disziplinen, Physik und Chemie, nahmen einen gewaltigen
Aufschwung. Physikalische und chemische Methoden fanden Eingang auch in andere Gebiete der
Naturwissenschaft, in Biologie, Botanik und Zoologie.
Die großartigen Erfolge der Naturwissenschaften, vor allem auf den Gebieten der Physik und Chemie, die
Einblicke in den Makrokosmos der Galaxien bis in den Mikrokosmos der Atome vermittelten, besonders
aber die praktische Verwertbarkeit ihrer Erfindungen und Entdeckungen, auf denen sich all die
Technologien und Industrien aufbauten, die unser Zeitalter prägen, haben entscheidend zur Entstehung
des heute vorherrschenden einseitig materialistischen Weltbildes beigetragen.
Darin hat sich eine ungeheure Überschätzung der Bedeutung, die der Chemie und der Physik in der
Schöpfung zukommt, breitgemacht. Es gilt zu erkennen, daß der einseitige Glaube an das
naturwissenschaftliche Weltbild auf einem folgenschweren Irrtum beruht. Alles, was es beinhaltet, ist zwar
wahr, aber dieser Inhalt stellt nur die Hälfte der Wirklichkeit dar, nur ihren materiellen, quantifizierbaren
Teil. Alle physikalisch und chemisch nicht faßbaren, geistigen Dimensionen der Wirklichkeit, zu denen die
wesentlichen Merkmale des Lebendigen gehören, fehlen.
Es geht hier nicht darum, die Gültigkeit naturwissenschaftlichen Erkennens zu bestreiten und den Wert
der messenden Naturforschung herabzumindern, sondern nur darum, auf ihre titanenhafte Einäugigkeit
hinzuweisen.
Immer kleinere Partikel, Bausteine der Atome, werden als letzte Wirklichkeit unserer Welt erklärt. Den
Höhepunkt einer rein materialistischen Weltanschauung bilden Theorien über die Entstehung des
Universums, wonach Zufall und Notwendigkeit mittels Chemie und Physik den Kosmos mitsamt den
lebenden Geschöpfen der Tier- und Pflanzenwelt hervorgebracht haben sollen.
Den Unsinn einer Schöpfungstheorie möchte ich mit einer Metapher, mit dem Bau eines Hauses,
anschaulich machen. Aber es ließen sich als Beispiel für die Voraussetzungen für die Entstehung einer
organisierten Form zahllose andere Beispiele heranziehen.
Angenommen, irgendwo befände sich das ganze Baumaterial für die Errichtung eines Hauses, und auch
die technischen Hilfsmittel und die nötige Energie wären vorhanden. Ohne die Idee eines Erbauers, ohne
seine Pläne und ihre planmäßige Ausführung würde ein Haus niemals entstehen, auch wenn man dem
Zufall Zeiträume von Milliarden von Jahren für dieses Unternehmen zugestehen würde.
Was schon für ein Haus, dem die Dimension des Lebendigen fehlt, gilt, um wieviel mehr noch trifft das für
das lebende Universum zu -für jede Blume, für jeden Käfer. Das Absurde solcher Theorien über die
Entstehung der Schöpfung, auch wenn sie von Naturwissenschaftlern stammen, die den Nobelpreis
erhalten haben, wie Jacques Monod, ist offensichtlich.
Fast noch schlimmer als der praktische Mißbrauch von Erkenntnissen der Naturwissenschaften, der zur
Technisierung, Industrialisierung und Zerstörung weiter Lebensbereiche geführt hat, ist der geistige
Schaden solcher nihilistischer Theorien. Sie entziehen dem Leben die geistigen und religiösen
Grundlagen und lassen den Menschen in der Einsamkeit und Ungeborgenheit einer toten technischen
Welt zurück.
L/amit will ich die Betrachtungen über die negativen Auswirkungen der Naturwissenschaften, die durch
eine einseitige Zuwendung zu den materiellen Grundlagen der Wirklichkeit entstanden sind, abschließen.
Ich komme nun zu den positiven Auswirkungen der Naturwissenschaften auf unsere Lebensgestaltung.
Ich glaube, daß sie überwiegen. Dabei denke ich nicht in erster Linie an die offensichtlichen praktischen
Errungenschaften, an die Fortschritte in der Medizin, an Hygiene, Lebensverlängerung, an all den Komfort
unseres täglichen Lebens, bis zu Fernsehen, CD, Computer und so weiter - wozu sofort einschränkend
beigefügt werden muß, daß alle diese angenehmen Errungenschaften nur einem kleinen Teil der
Erdbevölkerung zugutekommen. Der eigentliche Sinn, die eigentliche Bedeutung der Naturwissenschaft in
der Menschheitsgeschichte, ihr revolutionärer Sinn dürfte in einer Erweiterung des menschlichen
Bewußtseins bestehen, in einer vertieften Einsicht in das Wesen der Wirklichkeit, in die Einheit alles
Lebendigen, in die Eingebautheit des Menschen im Biokosmos. Als Beispiel solcher
naturwissenschaftlicher Erkenntnise einige biochemische Betrachtungen.
Jeder höhere Organismus, gleich ob Pflanze, Tier oder Mensch, nimmt seinen Ausgang von einer
einzigen Zelle, von der befruchteten Eizelle. Die kleinsten Einheiten des Lebendigen, aus denen sich alle
Organismen aufbauen, sind die Zellen. Die pflanzlichen und tierischen und menschlichen Zellen weisen
nicht nur eine gleichartige Struktur auf, sondern sie besitzen auch eine weitgehend gleiche chemische
Zusammensetzung. Es sind die gleichen Klassen von organischen Verbindungen, die an der stofflichen
Zusammensetzung des tierischen und menschlichen Körpers wie der Pflanze beteiligt sind, Eiweiße,
Kohlenhydrate, Fette, Phosphatide und so weiter. Diese Einheit der stofflichen Zusammensetzung steht
im Zusammenhang mit dem großen metabolischen und energetischen Kreislauf alles Lebendigen, in dem
Pflanzen-, Tier- und Menschenreich zusammengeschlossen sind. Die gesamte Energie, die diesen
Kreislauf des Lebens in Gang hält, stammt von der Sonne. Die Pflanze, der grüne Teppich der
Pflanzenwelt, vermag in mütterlicher Empfänglichkeit Licht als immateriellen Energiestrom in sich
aufzunehmen und in Form von chemisch gebundener Energie zu speichern.
Bei diesem Vorgang verwandelt die Pflanze mit Hilfe des Blattgrüns, des Chlorophylls als Katalysator und
Licht als Energiequelle, Wasser und Kohlensäure in organische Verbindungen, in Pflanzensubstanz um.
Dieser als Photosynthese bezeichnete Prozeß liefert über die Pflanze die Bausteine auch für den
tierischen und menschlichen Organismus. Alles Leben, alle Lebensprozesse beruhen energetisch auf
dieser Lichtnahme durch die Pflanze. Wenn im Menschen die pflanzliche oder tierische Nahrung beim
Verdauungsprozeß wieder zu Kohlensäure und Wasser abgebaut wird, wird die gleiche Menge Energie
freigesetzt und für den Körper verfügbar, die bei der Photosynthese als Licht aufgenommen wurde.
Mit Licht, als der ursprünglichen kosmischen Energiequelle, baut sich auf und erhält sich alles Leben, das
pflanzliche, tierische und menschliche. Auch der Denkprozeß des menschlichen Gehirns wird von dieser
Energiequelle gespeist, so daß also der menschliche Geist, unser Bewußtsein, die höchste, sublimste
energetische Umwandlungsstufe von Licht darstellt. Wir sind Lichtwesen, das ist nicht nur eine mystische
Erfahrung, auf die das Wort Erleuchtung und die Bedeutung des Lichts in vielen Religionen hinweist,
sondern auch eine naturwissenschaftliche Erkenntnis.
Dieses Beispiel soll genügen, es gäbe noch beliebig viele andere, um zu zeigen, daß Naturwissenschaft
und Mystik nicht sich widersprechende, sondern sich ergänzende Erfahrungen beinhalten.
Von den tiefen Einblicken in das Wesen der objektiven Wirklichkeit, die wir den Naturwissenschaften
verdanken, scheinen mir Erkenntnisse vom Mechanismus unserer Wahrnehmung von besonders großer
erkenntnismäßiger Bedeutung zu sein. Auf diese möchte ich jetzt etwas näher eingehen. Es lohnt sich,
diese grundlegenden Erkenntnisse, die in jedem Lehrbuch der Physiologie nachgelesen werden können,
sich wieder ins Bewußtsein zu rufen und sie meditativ zu verarbeiten, denn die Sinneswahrnehmungen,
Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten, vermitteln uns nicht nur den Kontakt mit der materiellen
Außenwelt, sondern sie sind auch die Schlüssel und Tore zur geistigen Welt.
Dazu ein Zitat von William Blake, einem Mystiker, der von 1757 bis 1827 in London gelebt hat:
»If the doors of perception were cleansed, everything will appear to man äs it is, infinite«: »Wenn die Tore
der Wahrnehmung gereinigt werden, wird dem Menschen alles erscheinen, wie es wirklich ist, unendlich.«
Um die für das Zustandekommen eines Bildes der Außenwelt notwendige Wechselbeziehung zwischen
materieller Außenwelt und geistiger Innenwelt des Menschen anschaulich zu machen, kann man den
Vergleich heranziehen, wie bei der Fernsehübertragung Bild und Ton entstehen.
materielle Welt im äußeren Raum arbeitet als Sender, entsendet optische und akustische Wellen und
liefert Tast-, Geschmacks- und Geruchssignale. Den Empfänger bildet das Bewußtsein im Inneren des
einzelnen Menschen, wo die von den Sinnesorganen, von den Antennen empfangenen Reize in ein
sinnlich und geistig erlebbares Bild der Außenwelt umgewandelt werden.
Fehlte eines von beiden, der Sender oder der Empfänger, so käme keine menschliche Wirklichkeit
zustande, gleich wie beim Fernsehen der Bildschirm leer und ohne Ton bleiben würde.
Im Folgenden soll nun dargelegt werden, was wir auf Grund naturwissenschaftlicher Erkenntnisse von der
Physiologie des Menschen hinsichtlich seiner Funktion als Empfänger sowie vom Mechanismus des
Empfangens und Erfahrens von Wirklichkeit wissen.
Leider bin ich nun gezwungen, Ihre Aufmerksamkeit für kurze Zeit für detaillierte wissenschaftliche
Befunde in Anspruch zu nehmen. Die große Bedeutung derselben mag das rechtfertigen.
Die Antennen des menschlichen Empfängers sind unsere fünf Sinnesorgane. Die Antenne für optische
Bilder, das Auge, ist in der Lage, elektronisch-magnetische Wellen, Lichtwellen zu empfangen und damit
auf der Netzhaut ein Bild zu produzieren, das mit dem Objekt, von dem diese Wellen ausgehen,
übereinstimmt. Von dort werden die dem Bilde entsprechenden nervösen Impulse durch den Sehnerv ins
Sehzentrum des Gehirns geleitet, wo aus den bis dorthin objektivierbaren elektrophysiologischen
energetischen Geschehen das subjektive psychische Phänomen Sehen resultiert. Sehen ist als
psychisches Phänomen naturwissenschaftlich nicht weiter erklärbar.
Es ist wichtig, sich zu vergegenwärtigen, daß unser Auge und der innere psychische Bildschirm nur einen
sehr kleinen Ausschnitt aus dem riesigen Spektrum der elektromagnetischen Wellen ausnützen, um die
Außenwelt sichtbar zu machen. Aus dem elektromagnetischen Wellenspektrum, das Wellenlängen von
Milliardstel Millimetern aus dem Bereich der Röntgenstrahlen bis zu Radiowellen von vielen Metern Länge
umfaßt, spricht unser Sehapparat nur auf den sehr schmalen Bandbereich von 04, bis 0,7
Tausendstelmillimeter an. Nur dieser sehr kleine Ausschnitt kann von unseren Augen empfangen und als
Licht wahrgenommen werden.
l nnerhalb des sichtbaren Wellenbereichs sind wir in der Lage, die verschiedenen Wellenlängen als
verschiedene Farben wahrzunehmen.
Es ist wichtig, sich zu vergegenwärtigen, daß im äußeren Raum keine Farben existieren. Im allgemeinen
ist man sich dieser fundamentalen Tatsache nicht bewußt. Was von einem Gegenstand, den wir als farbig
sehen, in der äußeren Welt objektiv vorhanden ist, ist ausschließlich Materie, die elektromagnetische
Schwingungen von bestimmten Wellenlängen aussendet. Wenn ein Gegenstand von dem Licht, das auf
ihn fällt, Wellen von 0,4 Tausendstelmillimeter reflektiert, dann sagen wir, er sei blau. Sendet er Wellen
von 0,7 Tausendstelmillimeter aus, dann benennen wir das optische Ergebnis, das wir dabei haben, als
rot. Es ist aber unmöglich, festzustellen, ob beim Empfang einer bestimmten Wellenlänge alle Menschen
das gleiche Farberlebnis haben. Die Wahrnehmung von Farbe ist ein rein psychisches, subjektives
Erlebnis, das im inneren Raum des Individuums stattfindet. Die farbige Welt, so wie wir sie sehen, existiert
objektiv draußen nicht, sondern sie entsteht auf dem psychischen Bildschirm im Inneren des einzelnen
Menschen.
In der akustischen Welt bestehen entsprechende Beziehungen zwischen einem Sender im äußeren Raum
und einem Empfänger im inneren Raum. Die Antenne für akustische Signale, das Ohr, weist in seiner
Funktion als Teil des menschlichen Empfängers ebenfalls nur einen beschränkten Empfangsbereich auf.
Wie Farben existieren Töne objektiv nicht. Was objektiv vom Hörvorgang vorhanden ist, sind wiederum
Wellen, wellengleiche Verdichtungen und Ausdehnungen der Luft, die vom Trommelfell des Ohres
registriert und im Gehörzentrum
des Gehirns in die psychische Erfahrung von Ton umgewandelt werden. Unser Empfänger für akustische
Wellen reagiert auf Wellen im Bereich von 20 Schwingungen pro Sekunde bis zu 20.000 Schwingungen,
was den tiefsten bis zu den höchsten von uns wahrnehmbaren Tönen entspricht.
Auch die anderen Aspekte der Wirklichkeit, welche von den übrigen drei Sinnen, vom Geschmacks-,
Geruchs- und Tastsinn erschlossen werden, entstehen durch eine Wechselwirkung zwischen materiellen
und energetischen Sendern im äußeren Raum und psychischen Empfängern im inneren Raum des
einzelnen Menschen. Ich möchte das hier nicht im Einzelnen beschreiben. Hier gilt es nur festzuhalten,
daß Geschmack, Geruch und Tastempfindungen, gleich wie Farben und Töne, objektiv nicht feststellbar
sind. Sie existieren nur auf dem psychischen Bildschirm im inneren des einzelnen Menschen.
Aus diesen Erkenntnissen folgt, daß die Welt, wie wir sie mit unseren Augen und den anderen
Sinesorganen wahrnehmen, eine einzig auf den Menschen zugeschnittene Wirklichkeit darstellt, die
bestimmt wird von der Fähigkeit und den Begrenzungen der menschlichen Sinnesempfindungen. Tiere
mit unterschiedlichen Sinnesorganen, mit Antennen, die auf andere Impulse reagieren, die vor allem aber
einen anderen Empfänger, ein anderes Bewußtsein haben, dem die Fähigkeit des geistigen Erkennens
und damit der Liebe fehlt - sehen und erleben die Außenwelt völlig anders, das heißt sie leben in einer
anderen Wirklichkeit.
Wir können von der Außenwelt nur so viel sehen, hören, riechen, schmecken und fühlen, wie wir mit
unseren beschränkten Sinnen wahrnehmen können. Nur so viel ist für uns wirklich, nur so viel wird
Wirklichkeit. Mathias Claudius hat das poetisch ausgedrückt in seinem schönen Gedicht, wo es heißt: »So
sind wohl manche Sachen, die wir getrost belachen, weil unsre Augen sie nicht sehn.«
Die Metapher der Wirklichkeit als Produkt eines Senders und eines Empfängers legt offen zutage, daß
das scheinbar objektive Bild der Außenwelt, das wir als die Wirklichkeit bezeichnen, tatsächlich ein
subjektives Bild ist. Diese grundlegende Tatsache besagt, daß der Bildschirm nicht außen, sondern im
Inneren eines jeden Menschen sich befindet. Jeder Mensch trägt sein eigenes, persönliches, von seinem
privaten Empfänger erzeugtes Bild der Wirklichkeit in sich. Es ist sein wahres Bild der Welt, weil es das
ist, das er mit seinen eigenen Augen und mit den anderen Sinnen wahrnehmen kann.
Das Bild der Wirklichkeit als Produkt von Sender und Empfänger erweist sich in besonders
bedeutungsvoller Hinsicht aufschlußreich durch den Hinweis auf den Anteil des Empfängers, das heißt,
des einzelnen Menschen, an der Wirklichkeitsbildung. Es bringt uns die weltenschöpferische Potenz, die
jedem Individuum zukommt, voll zum Bewußtsein. Jeder Mensch ist der Schöpfer seiner eigenen Welt,
denn einzig und allein in ihm wird die Erde und das bunte Leben auf ihr, werden die Sterne und der
Himmel Wirklichkeit.
Das tönt sehr mystisch, ist mystisch, aber in gleicher Weise naturwissenschaftliche Wahrheit, von
jedermann einsichtbare nachprüfbare Tatsache. In dieser wahrhaft kosmogonischen, Weltwirklichkeit
schaffenden Fähigkeit ist die wahre Würde des Individuums begründet; in ihr liegt die eigentliche Freiheit
und Verantwortung eines jeden Menschen, die weit über die Bedeutung seiner politischen Freiheit und
Verantwortung hinausreicht.
Wenn ich erkannt habe, was in der Wirklichkeit objektiv außen ist, und was subjektiv in mir geschieht,
dann weiß ich besser, was ich in meinem Leben ändern kann, wo ich die Wahl habe, und somit für was
ich verantwortlich bin, und andererseits, was außerhalb meiner Macht und meines Willens liegt und als
unveränderliche Gegebenheit hingenommen werden muß. Ich bin es, der den Gegenständen, die objektiv
in der Außenwelt nur geformte Materie sind, nicht nur ihre Farbe, sondern durch meine Zuwendung und
Liebe auch ihre Bedeutung gibt. Das gilt nicht nur für die leblose Umwelt, sondern auch für die lebenden
Geschöpfe, für Pflanzen und Tiere und auch für meine Mitmenschen.
Diese Klärung meiner Zuständigkeit ist eine unschätzbare Lebens-hilfe.
Noch auf eine weitere Einsicht, die das Sender-Empfänger-Modell der Wirklichkeit vermittelt, möchte ich
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